Barrierefreiheit – mehr als nur ein Schlagwort!
Stellen Sie sich vor: Eine Welt, in der jeder Mensch Zugang zu digitalen Angeboten hat, ohne auf Hindernisse zu stoßen. Klingt selbstverständlich? Noch längst nicht! Genau hier setzt das Barrierefreiheitsgesetz (BaFG) an – ein wichtiger Meilenstein für mehr Inklusion in der digitalen und physischen Welt. Doch für viele Unternehmen stellt sich die Frage: Was bedeutet das konkret? Was müssen wir tun, um vorbereitet zu sein?
In diesem ersten Teil unserer Serie zum BaFG erhalten Sie einen Überblick über die wichtigsten Neuerungen, wer betroffen ist und was das konkret bedeutet. Ob es um barrierefreie Websites, Apps oder Bankautomaten geht – das BaFG fordert Unternehmen auf, über bloße Pflichtmaßnahmen hinauszugehen. Mit klarem Blick und einem soliden Plan lassen sich die Anforderungen jedoch bewältigen. Lesen Sie weiter und erfahren Sie, wie Sie Schritt für Schritt Barrierefreiheit in Ihrem Unternehmen umsetzen können!
Das Barrierefreiheitsgesetz tritt am 28. Juni 2025 in Kraft: Was bedeutet das?
Das BaFG ist die österreichische Umsetzung der europäischen Barrierefreiheitsrichtlinie RL (EU) 2019/882 (European Accessibility Act). Es zielt darauf ab, Menschen mit Behinderungen uneingeschränkten Zugang zu Produkten und Dienstleistungen zu ermöglichen. Dies umfasst digitale Angebote wie Websites und Apps genauso wie physische Produkte.
Das Ziel ist klar: Jeder soll digitale und analoge Produkte intuitiv und ohne zusätzliche Hilfsmittel nutzen können – unabhängig von körperlichen, sensorischen oder kognitiven Einschränkungen. Für Unternehmen bedeutet das, ihre Angebote auf Barrierefreiheit zu prüfen und entsprechend anzupassen.
Wann ist ein Produkt oder eine Dienstleistung barrierefrei?
Produkte und Dienstleistungen gelten laut BaFG als barrierefrei, wenn sie für Menschen mit Behinderungen leicht auffindbar, zugänglich und nutzbar sind – und das in einer Weise, die keine fremde Hilfe benötigt und keine zusätzlichen Hürden schafft. Entscheidend dabei: Sie müssen über mindestens zwei Sinne wahrgenommen werden können.
Wer ist betroffen?
Das Barrierefreiheitsgesetz (BaFG) betrifft sowohl Unternehmen als auch ihre Produkte und Dienstleistungen.
Betroffene Unternehmen
Hersteller, Händler und Importeure der genannten Produkte sowie Anbieter dieser Dienstleistungen fallen unter die Regelungen des BaFG.
Ausnahme
Kleinstunternehmen (weniger als 10 Mitarbeitende und unter 2 Mio. Euro Umsatz) können unter Umständen von den Anforderungen ausgenommen sein. Diese Ausnahme wird jedoch im Einzelfall geprüft und gilt nicht automatisch.
Produkte, die barrierefrei sein müssen
- Computersysteme für Verbraucher, inklusive Betriebssysteme (z. B. PCs, Laptops).
- Selbstbedienungsterminals wie Geld-, Fahrkarten- und Check-in-Automaten.
- Elektronikgeräte für Kommunikationsdienste, wie Mobiltelefone.
- Interaktive Verbraucherendgeräte, z. B. Smart-TVs und E-Book-Reader.
Produkte, die bereits vor dem 28. Juni 2025 in Umlauf gebracht wurden, müssen nicht angepasst werden.
Dienstleistungen, für die Barrierefreiheit verlangt wird
- Elektronische Kommunikationsdienste, z. B. E-Mail- und Videotelefonie-Dienste.
- Audiovisuelle Mediendienste, wie Apps und Websites.
- Bankdienstleistungen, z. B. Online-Banking und Zahlungsdienste.
- E-Commerce-Angebote, wie Online-Shops und Buchungsplattformen der Websites, die digitale Mitgliedschaften oder Abonnements anbieten.
- E-Book-Software und elektronische Ticketdienste.
Dienstleistungen müssen ab dem Inkrafttreten (28. Juni 2025) den neuen Anforderungen entsprechen.
Für bestehende Angebote gelten folgende Übergangsfristen
- Dienstleistungen mit vor dem 28. Juni 2025 genutzten Produkten können bis zum 28. Juni 2030 weiter erbracht werden.
- Selbstbedienungsterminals (z. B. Fahrkartenautomaten) dürfen bis zu 20 Jahre nach ihrer Inbetriebnahme, jedoch spätestens bis zum 28. Juni 2040, weiterverwendet werden
Besonderheiten bei Dienstleistungsverträgen
Verträge, die vor dem 28. Juni 2025 geschlossen wurden, bleiben bis maximal 28. Juni 2030 gültig. Danach müssen sie angepasst oder aufgelöst werden.
Das BaFG sieht eine schrittweise Umstellung mit klar definierten Fristen vor, die je nach Produkt oder Dienstleistung variieren. Ziel ist es, eine barrierefreie Nutzung zu gewährleisten, ohne bestehende Produkte und Verträge unmittelbar anpassen zu müssen.
Fallbeispiele – Betroffen oder nicht betroffen? Das ist hier die Frage…
Werfen wir einen Blick auf konkrete Beispiele, um herauszufinden, wann die Richtlinie für Sie gilt – und wann nicht.
Produkte
- Beispiel 1 – von der Richtlinie BETROFFEN
Sie verkaufen ein Computersystem für Verbraucher, das vorinstallierte Betriebssysteme umfasst. Da es sich um ein Produkt für Endverbraucher handelt, muss es barrierefrei gestaltet sein, z. B. mit Funktionen wie Screenreader-Kompatibilität und Tastatursteuerung. Diese Anforderungen sind notwendig, damit auch Menschen mit Seh- oder Mobilitätseinschränkungen das Produkt nutzen können. - Beispiel 2 – von der Richtlinie NICHT BETROFFEN
Sie bieten Computersysteme ausschließlich für Unternehmen an, die von internen IT-Abteilungen verwaltet und konfiguriert werden. Solche Systeme fallen nicht unter die BaFG-Regelungen, da sie keine direkten Endverbraucherprodukte sind. - Beispiel 3 – von der Richtlinie BETROFFEN
Ein Hersteller von Fahrkartenautomaten muss sicherstellen, dass diese auch von Personen mit motorischen Einschränkungen bedient werden können, z. B. durch Sprachsteuerung oder Tastaturbedienung. Selbstbedienungsterminals, die von der Öffentlichkeit genutzt werden, sind explizit im BaFG erfasst. - Beispiel 4 – von der Richtlinie NICHT BETROFFEN
Ein Selbstbedienungsterminal, das ausschließlich für interne Betriebsprozesse eines Unternehmens genutzt wird (z. B. in einer Lagerhalle zur Inventur), unterliegt nicht den Anforderungen des BaFG. Der Grund: Es ist nicht für die Nutzung durch die allgemeine Öffentlichkeit vorgesehen. - Beispiel 5 – von der Richtlinie BETROFFEN
Sie verkaufen ein Haushaltsgerät, z. B. einen smarten Kühlschrank, der über eine App gesteuert wird. Sowohl die Software als auch die Hardware müssen barrierefrei sein, damit Personen mit Behinderungen sie problemlos nutzen können. Beispielsweise muss die App mit unterstützenden Technologien wie Screenreadern kompatibel sein, und das Gerät sollte über alternative Steuerungsmöglichkeiten (z. B. Sprachbefehle) verfügen. - Beispiel 6 – von der Richtlinie NICHT BETROFFEN
Sie verkaufen eine spezielle Maschinensteuerungssoftware, die ausschließlich für den Einsatz in Industrieanlagen bestimmt ist und nur von geschultem Fachpersonal genutzt wird. Da die Software nicht für den allgemeinen Verbrauchermarkt gedacht ist, fällt sie nicht unter die BaFG-Vorgaben.
Dienstleistungen
- Beispiel 1 – von der Richtlinie BETROFFEN
Sie betreiben eine Website für Ihren Online-Shop, auf der Kunden Produkte bestellen können. Ihre Website muss barrierefrei sein, z. B. durch eine klare Navigationsstruktur, ausreichende Kontraste und alternative Bildbeschreibungen. Solche Dienste richten sich direkt an die Öffentlichkeit und fallen daher unter die BaFG-Regelungen. - Beispiel 2 – von der Richtlinie NICHT BETROFFEN
Sie nutzen eine Intranet-Plattform, die nur für Ihre Mitarbeitenden zugänglich ist. Solche internen Plattformen fallen nicht unter die Anforderungen des BaFG, da sie ausschließlich für den geschlossenen Nutzerkreis des Unternehmens gedacht sind. - Beispiel 3 – von der Richtlinie BETROFFEN
Ein Anbieter von E-Book-Software muss sicherstellen, dass seine Software z. B. Vorlesefunktionen für sehbehinderte Menschen enthält. Digitale Produkte, die eine breite Zielgruppe ansprechen, müssen barrierefrei gestaltet sein. - Beispiel 4 – von der Richtlinie NICHT BETROFFEN
Eine Plattform, die statische PDFs ohne Interaktionsmöglichkeiten bereitstellt, fällt unter die Ausnahmen des BaFG, da solche Angebote nicht den direkten Zugang oder die Nutzung interaktiver Dienste ermöglichen. - Beispiel 5 – von der Richtlinie BETROFFEN
Ihr Schulungsportal bietet Online-Kurse für die Öffentlichkeit an, z. B. für berufliche Weiterbildung. Das Portal muss barrierefrei gestaltet sein, z. B. mit Untertiteln oder Transkriptionen für Videoinhalte, einer einfachen Navigation und der Möglichkeit zur Nutzung mit Screenreadern. Da es sich um einen öffentlichen Dienst handelt, der breiten Zugang ermöglichen soll, fällt es unter die BaFG-Regelungen. - Beispiel 6 – von der Richtlinie NICHT BETROFFEN
Das Schulungsportal ist ausschließlich für interne Mitarbeiterschulungen eines Unternehmens gedacht und nicht für die Öffentlichkeit zugänglich. Da das BaFG nur für öffentliche Dienstleistungen gilt, fällt dieses interne Portal nicht unter die Regelungen.
Wie Sie merken, ist das Thema Barrierefreiheit vielschichtig – und es gibt noch mehr, was Sie wissen müssen! Im nächsten Beitrag tauchen wir daher tiefer in die Materie ein 😉
- Ausnahmen vom BaFG: Welche Produkte und Dienstleistungen sind ausgenommen?
- Anforderungen an Unternehmen: Was Sie strategisch, organisatorisch und technisch beachten müssen.
- Anforderungen an Produkte und Dienstleistungen: Von Wahrnehmbarkeit bis Robustheit – wie barrierefrei Ihre Angebote sein sollten.
- Schritt-für-Schritt-Planung: So bereiten Sie sich auf die Umsetzung des BaFG vor.
- Folgen bei Nichteinhaltung: Warum Strafen nicht das einzige Risiko sind.
- Der frühe Vogel fängt den Wurm: Warum es sich lohnt, Barrierefreiheit frühzeitig anzugehen.
- Barrierefreiheitserklärung: Was gehört rein, und wie gestalten Sie diese richtig?
Freuen Sie sich auf praxisnahe Tipps, verständliche Erklärungen und Beispiele, die Sie sofort umsetzen können – alles im nächsten Beitrag! 😊